16.12.99

Künstler im Gespräch

Nicht ohne Korsett und Rüstung

Die Plastiken des Bernhard Mathäss tragen Eisen in der Brust - Der Duttweilerer Künstler schafft Figuren aus Beton

Dem Bischof aus gegossenem Beton hat Bernhard Mathäss erst vor kurzem eine voluminöse Mitra vom Kopf genommen und ihm ein Käppchen angepasst, das auch eine jüdische Kipa sein könnte. Nicht auf die Amtsinsignien käme es ihm an, sagt der in Duttweiler lebende und arbeitende Bildhauer im Gespräch, sondern auf die Einzelschicksale, die sich in seinen Portraitbüsten widerspiegeln.
Irgendwann, so erzählt Mathäss, würden alle Menschen, deren Antlitz er jemals geschaffen habe, im Verlauf der künstlerischen Arbeit jenen Grad von Beseeltheit bekommen, die aus Skulpturen lebendige Individuen macht. Dass in der Ausgestaltung seiner Köpfe und Büsten Besonderheiten auftauchen, dass Kleider, Schals und Mützen, Ohrringe oder Kapuzen, ja :selbst die Büstenhalter der portraitierten aus rostigem Eisenrohren bestehen, die ihrem Körper sensibel angepasst wurden, ist allerdings die besondere Zugabe Künstlers. Und deren Variationen, gibt er zu, seien längst noch nicht ausgeschöpft.
Alle Frauen und Männer des Bernhard Mathäss tragen Eisen in der Brust und in ihrer Garderobe, und dies ist nicht nur als Gag, sondern als Metapher zu verstehen. Es geht nicht ohne Korsett und Rüstung im Leben, schon Freud hat dies Phänomen als schützendes, aber auch hemmendes Über-Ich des Menschen bezeichnet. So könnte man im weitesten Sinne sagen, dass Mathäss' künstlerisches :Schaffen eine geradezu psychoanalytische Ausprägung aufweist, denn nicht umsonst baut er seine Einrüstungen so verquer und doppelbödig, dass sie nicht nur Schutz, sondern immer auch Hindernis bedeuten.
Bei seinen Helmköpfen zum Beispiel können die vermeintlichen Helden nur mehr schwer durch die Visiere sehen. Und die wunderschöne Stahlinkrustation an der Brust der Figur ,,Adama'' dient nicht nur dem Schutz, sondern bedeutet auch eine körperfeindliche Abschnürung. Sogar Tiere hat Mathäss in letzter Zeit mit Panzern versehen: einen Stier zum Beispiel, der mehrere "Bretter" vor dem Kopf hat. Und das virtuos geschwungene Gehörn eines Widders besteht gleichfalls aus kleinteilig zusammengefügtem Eisen. Wer sagt, dass Tiere heute keinen Schutz mehr brauchen? Sie sind sogar ganz besonders schutzbedürftig, wollen sie ihre Archaik behalten. Mathäss gewährt ihnen großmütig beides.
So pflegt der Bildhauer einen magisch-wehrhaften Realismus, wobei ihm Humor und Sinnlichkeit Gott sei Dank selten verloren gehen. Das handwerkliche Können, das dafür zweifellos vonnöten ist, hat der 1963 in Landau geborene Künstler nach dem Abitur von der Picke auf gelernt: in der Steinbildhauerlehrer bei Theo Röhrig in Hettenleidelheim, in der Bildhauerklasse von Professor Thomas Duttenhöfer in Wiesbaden, in der Freiburger Fachschule für Steingestaltung, wo er als "staatlich geprüfter Gestalter seinen Abschluss machte.
Dabei lässt sich unschwer erkennen, dass die handfest-praktische Seite in Mathäss' Ausbildung eindeutig überwog. Keine Akademie hat ihn eindeutig in eine bestimmte stilistische Richtung gedrängt, keine kopflastige Theorie, sondern immer nur die eigene ästhetische Anschauung und Praxis bestimmten seine Arbeit. Für Mathäss ist Handwerk deshalb die unveräußerliche Voraussetzung zur Auslotung all dessen, was er gestalten kann in seinem Fach, was sich an Ideen in ihm entwickelt. Er braucht es schlicht zur Realisierung seiner Kunst.
So findet er es auch überhaupt nicht ehrenrührig, dass sich ein Künstler zugleich als Handwerker versteht. "Schauen sie sich um", sagt er und zeigt auf die Gesimse in seinem Wohnzimmer, wo zuhauf alte Hobel und Leisten stehen, "alle meine Vorfahren waren Schreiner oder Schuhmacher. Warum soll ich deren Fähigkeiten nicht mehr in meinen Händen haben?"
Zum Handwerk gehört für den Künstler übrigens alles, was zum fertigen Werk hinführt: Logistik, Komposition, der ganze steinige Weg zum Ziel. Aus diesem Grunde würde er auch liebend gerne einmal einen städtischen Platz gestalten und dessen historisch gewachsenen Raum in sein bildhauerisches Konzept integrieren.
Gelegenheit hierzu bekommt er demnächst: Nicht zuletzt dank privaten Sponsorings darf er für die gleichnamige Neustadter Gasse das tapfere Mädchen Kunigunde gestalten. Das Bürgertöchterlein hat - historisch verbürgt - 1688, während des pfälzischen Erbfolgekrieges, verhindert, dass Neustadt (anders als Speyer) in Flammen aufging. Auch ihren Liebhaber, den französischen Militär de Werth, dem sie dies abtrotzte, wird Mathäss in Beton gießen. Und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass er beide mit Eisenintarsien gegen das unwirtliche neuzeitliche Leben ausrüsten wird. Denn die sind schließlich das Charakteristikum all seiner Geschöpfe.


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