18. August 2001

Menschen: Cornelius Litzka: Alle Habseligkeiten in einem Tuch

Zimmerergeselle nach über dreijähriger Wanderschaft zurückgekehrt

Genüsslich trinkt Cornelius Litzka in Mutterns Küche eine Tasse Kaffee. Ja, nach drei Jahren und fast vier Monaten auf Wanderschaft tut es gut, sich einmal wieder am "heimischen Herd" verwöhnen zu lassen.

Cornelius ist von Beruf Zimmerer. Im Fernsehen habe er einmal einen Bericht über Gesellen auf der Walz gesehen. "Das fand ich interessant und dachte mir, das wär' was für mich." Nach einem drei viertel Jahr als Geselle bei seinem Ausbildungsbetrieb sollte es losgehen. Doch zunächst musste die rechte Kluft besorgt werden: Jacke, Hose, Weste und Zylinder. Daneben benötigt der Wandergesell ein großes Tuch, in das er seine Habseligkeiten packt, einen Stenz, also einen großen Wanderstock, ein Wanderbuch, in das die Arbeitgeber ihre Bewertung schreiben, und einen speziellen Ohrring.
Bevor es losgeht, müsse der Gesell erst einmal verschiedene Rituale über sich ergehen lassen: Selbst die Kluft dürfe sich der Handwerksbursch nicht einfach anlegen, sie müsse "verdient" werden. "Die Aufgaben denkt sich der Alt-Gesell aus." Dieser schreibe auch den ersten Kommentar ins Wanderbuch. Dann gelte es noch, eine Flasche zu vergraben, ein Lied zu singen und das Ortsschild zu überklettern. Als eiserne Reserve hat der Wanderer fünf Mark in der Tasche, die er aber auch wieder mit heimbringen müsse, erklärt Cornelius.
Zu Fuß versucht der Wanderbursch, in Begleitung seines Alt-Gesellen, so schnell wie möglich aus dem "Bannkreis" - das sind 50 Kilometer Luftlinie vom Wohnort - herauszukommen. "Die Grenze war in meinem Fall Alzey." Von dort aus ging's per Anhalter in den Thüringer Wald. Auf öffentliche Verkehrsmittel will der Wanderbursch schon aus Kostengründen verzichten. Habe er ein Ziel erreicht, kümmere sich der Gesell erst einmal um Arbeit. Wenn er vor Ort einen Betrieb kennt, könne er direkt vorbeigehen und sich um einen Job bemühen. Wenn nicht, führe der erste Weg zur Handwerkskammer.
Arbeit zu finden, sei in der Regel nicht so schwer, betont Cornelius. "Aber wir möchten ja nicht nur Geld verdienen, sondern auch etwas in unserem Beruf dazulernen." Deshalb sei man schon etwas wählerisch. Die Entlohnung erfolge nach Tarif, und nicht wie früher nur in Form von Kost und Logis. Beiträge an die Sozialversicherung würden in dieser Zeit ebenfalls bezahlt. Auch wenn die Arbeit noch so viel Spaß mache, länger als drei Monate sollten die Wandergesellen in keinem Betrieb bleiben, weiß Cornelius.
Da die "Buschtrommel" gut funktioniere, sprächen sich Arbeitsmöglichkeiten rasch herum. Er habe sich unter anderem im Boots- und Schiffsbau in Bremen verdingt, eine Designer-Treppe gebaut, im Harz und in Schwaben gearbeitet. Die meiste Zeit sei er in Deutschland geblieben, Abstecher nach Dänemark, Schweden, Frankreich, Spanien, Österreich und ein längerer Aufenthalt in Großbritannien rundeten die Wanderschaft ab. Zuletzt sei er mit einem anderen Gesellen in Neuseeland und im Königreich Tonga im Südpazifik gewesen. Dort hätten sie gelernt, wie ein Einbaum gebaut wird. Mit einem solchen, selbst gebauten Einbaum hat Cornelius ein Stück der letzten Wegstrecke von Weil am Rhein bis Speyer zusammen mit fünf Leuten zurückgelegt. Zu Fuß ging's bis Duttweiler, wo er, um wirklich anzukommen, mit Sack und Pack wieder das Ortsschild übersteigen musste.
Empfehlen würde der 27-Jährige eine solche Wanderschaft nicht jedem. "Man muss auf Leute zugehen können, weltoffen und bereit sein, mit wenig auszukommen." Er selbst habe nur positive Erfahrungen gemacht: "Ich bin erstaunt, wie gastfreundlich die Menschen in Deutschland sind." Etliche hätten ihn auf der Straße angesprochen, zum Essen oder auch zum Übernachten eingeladen. "Ich habe eine Menge gelernt, viel an Berufserfahrung, aber auch an Menschenkenntnis gewonnen."
Vor zwei Wochen begann für Cornelius Litzka ein neuer Abschnitt: Er drückt für ein Jahr die Schulbank auf der Meisterschule in Kaiserslautern. Danach will er vielleicht wieder nach England, weil es dort interessanten Fachwerkbau gibt, aber genau weiß er das noch nicht ...
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