Bei der Eröffnung der Emmauskapelle hat Pfarrer Markus Magin eine kleine Broschüre herausgegeben. Der Inhalt:
Die Begegnung mit dem Auferstandenen auf dem Weg nach Emmaus (Lk 24, 13-35)
13Am gleichen Tag waren zwei von den Jüngern auf dem Weg in ein Dorf namens Emmaus, das sechzig Stadien von Jerusalem entfernt ist. 14Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte. 15Während sie redeten und ihre Gedanken austauschten, kam Jesus hinzu und ging mit ihnen. 16Doch sie waren wie mit Blindheit geschlagen, so dass sie ihn nicht erkannten. 17Er fragte sie: Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet? Da blieben sie traurig stehen, 18und der eine von ihnen - er hieß Kleopas - antwortete ihm: Bist du so fremd in Jerusalem, dass du als einziger nicht weißt, was in diesen Tagen dort geschehen ist? 19Er fragte sie: Was denn? Sie antworteten ihm: Das mit Jesus aus Nazaret. Er war ein Prophet, mächtig in Wort und Tat vor Gott und dem ganzen Volk. 20Doch unsere Hohenpriester und Führer haben ihn zum Tod verurteilen und ans Kreuz schlagen lassen. 21Wir aber hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde. Und dazu ist heute schon der dritte Tag, seitdem das alles geschehen ist. 22Aber nicht nur das: Auch einige Frauen aus unserem Kreis haben uns in große Aufregung versetzt. Sie waren in der Frühe beim Grab, 23fanden aber seinen Leichnam nicht. Als sie zurückkamen, erzählten sie, es seien ihnen Engel erschienen und hätten gesagt, er lebe. 24Einige von uns gingen dann zum Grab und fanden alles so, wie die Frauen gesagt hatten; ihn selbst aber fanden sie nicht. 25Da sagte er zu ihnen: Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben. 26Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen? 27Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht. 28So erreichten sie das Dorf, zu dem sie unterwegs waren. Jesus tat, als wolle er weitergehen, 29aber sie drängten ihn und sagten: Bleib doch bei uns; denn es wird bald Abend, der Tag hat sich schon geneigt. Da ging er mit hinein, um bei ihnen zu bleiben. 30Und als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen. 31Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn; dann sahen sie ihn nicht mehr. 32Und sie sagten zueinander: Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss? 33Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück, und sie fanden die Elf und die anderen Jünger versammelt. 34Diese sagten: Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen. 35Da erzählten auch sie, was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach.
Niemals allein
Zwei Männer unterwegs - traurig, enttäuscht und verlassen. Der, auf den sie ihre ganze Hoffnung gesetzt haben, ist tot. Jesus ist hingerichtet worden. Jetzt können sie nur noch nach Hause gehen und versuchen, zu vergessen. Doch da gesellt sich einer zu ihnen.
Auch wir sind unterwegs. Gerne verwenden wir das Bild des Weges für das Leben und sprechen vom Lebensweg, aber auch von dem Weg, den Gruppen und Gemeinschaften miteinander gehen. Die Christengemeinde von Duttweiler ist, seit vielen Jahrhunderten unterwegs auf dem Weg durch die Zeit. Sie wandert von Generation zu Generation auf dem Glaubensweg - manchmal hoffend und voller Zuversicht, manchmal trostlos und verzweifelt. Seit Jahrhunderten, vielleicht sogar seit mehr als tausend Jahren trifft Jesus am Ort der Emmauskapelle auf seine Gemeinde, wie er damals auf dem Weg nach Emmaus die beiden Jünger getroffen hat. Der östliche Teil dieser Kapelle, das Erdgeschoß des Kirchturms, wurde von der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an bis zu den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts als Chorraum der alten St. Michaelskirche genutzt. Jedoch kamen die Duttweilerer Christen wohl nicht erst seit der Erbauung der mittelalterlichen Kirche hier zusammen. Bei den Renovierungsarbeiten wurden unter dem Fußboden des Chorraumes Fundamente entdeckt, deren genaues Alter nicht bekannt ist. Möglicherweise stand hier bereits vor der mittelalterlichen Kirche ein Gotteshaus (die erste urkundliche Erwähnung von Duttweiler geht auf das Jahr 965 zurück). Wer die Emmauskapelle betritt, der darf spüren: wie die beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus, so begleitet Jesus auch seine Gemeinde in Duttweiler auf dem Weg durch die Zeit.
Auf dem Weg vom Tod zum Leben
Die Jünger erkennen Jesus nicht. Doch offensichtlich hat ihnen dieser Fremde etwas zu sagen. Sie spüren: sein Wort ist Antwort auf unsere Fragen. Ihre Herzen beginnen zu brennen, als er ihnen den Sinn der Schrift erklärt.
Geht es uns nicht immer wieder ähnlich wie diesen beiden Jüngern? So sehr sind wir mit uns selbst beschäftigt, mit all den Sorgen und Problemen, die uns Tag für Tag gefangen nehmen, dass wir gar nicht merken, wie Jesus mit uns geht, wie sein Wort zum Wort des Lebens für uns wird und wie unsere Herzen bereits brennen. Die Betonstele des Duttweilerer Künstlers Bernhard Mathäß möchte dies ins Bewusstsein heben. Ihr Thema ist der Weg - der Weg des einzelnen Christen durch das Leben, aber auch den Weg der Gemeinde durch die Zeit. Ohne Jesus Christus wäre dieser Weg ein Weg vom Leben zum Tod. Denn am Ende jedes Lebens auf dieser Welt steht die Vernichtung. Mit Jesus Christus aber führt dieser Weg durch den Tod hindurch, hinein in die Auferstehung - vom Tod zum Leben. Bereits mit dem Hineingeboren werden in diese Welt ist jedes Leben zum Sterben verurteilt. Die Stele zeigt deshalb in ihrem Fuß einen Totenschädel, das Zeichen der Vergänglichkeit. Doch der Weg des Lebens führt den Glaubenden nicht hinab in den Untergang, sondern nach oben, wo am Ende die Erlösung wartet. Das Kreuz am oberen Ende der Stele ist deshalb vor allen Dingen als Lichtzeichen zu erkennen. Durch das Kreuz Jesu führt unser Weg zum Licht der Auferstehung. Am Ende siegen nicht Kreuz und Leid. Der Gekreuzigte hat alles Leid der Welt überwunden. Er begleitet uns hinein in das Licht des Lebens. Wenn wir jetzt auch noch vieles erleiden. So tun wird dies doch bereits als Erlöste. Das Licht, das durch den Kreuzdurchbruch hindurch in unsere Welt hineinleuchtet, erinnert daran.
Herr, bleibe bei uns!
.Bleib doch bei uns, Herr!" so bitten die Jünger Jesus. Einerseits möchten sie nicht, dass er in die anbrechende Nacht hinein weiterwandern muss. So bieten sie ihm ihr Haus als Herberge an. Andererseits spüren sie, dass von ihm eine Sicherheit und eine Geborgenheit ausgeht, die sie nie mehr verlieren möchten.
Herr, bleibe bei uns!' Wie oft ist diese Bitte im Lauf der Jahrhunderte in den Mauern der heutigen Emmauskapelle zum Himmel gestiegen. Erdbeben, Kriege, Hungersnöte, Überschwemmungen, Dürreperioden, Seuchen, ... all ihre Nöte haben Menschen hier vor Gott getragen, aber auch die ganz persönlichen Sorgen und Schicksalsschläge wie Krankheiten, Sorgen um die Familie, um die Existenz, um den Glauben, ... Die Bitte, dass der Herr bei ihnen bleiben möge, ist nicht nur die Bitte der Jünger damals. Sie begleitet die Geschichte der Glaubenden und des Glaubens überall, wo Menschen sich an Gott wenden. Immer wieder haben auch die Christen von Duttweiler hier ihre Sorgen und Nöte vor Gott getragen. Immer wieder durften sie erleben, dass sie nicht verlassen, sondern in Gott geborgen und von ihm getragen sind. Hier konnten sie erfahren, dass stimmt, was Jesus Christus uns versprochen hat: "Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet. Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet." (Mt 7, 7.8)
,Herr, bleibe bei uns!' diese Urbitte der Christen findet sich deshalb an zentraler Stelle auf der Stele in der Kapelle. Nicht nur einmal ist sie hier zu sehen. Immer wieder neu wird sie wiederholt. Der aufmerksame Betrachter entdeckt diese Bitte auch in lateinischer Sprache, der Sprache des Mittelalters und der Sprache der Kirche, genauso wie in Englisch, der Sprache des modernen Medienzeitalters.
Für die beiden Jünger war die hereinbrechende Nacht der Anlass, Jesus zu bitten, bei ihnen zu bleiben. Die Gründe, warum sich Menschen heute mit der Bitte: Herr, bleibe bei uns! an Gott wenden können ganz unterschiedlich sein. Und doch ähneln sich die Sorgen und Probleme der Menschen über die Jahrhunderte hinweg immer wieder. Dies wird an der Schriftwand auf der Südseite der Turmkapelle deutlich. Neben den Worten der Jünger: "Denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt" finden sich hier viele konkrete Sorgen und Nöte, die von Duttweilerer Gemeindemitgliedern formuliert wurden. Die verschiedenen Schichten' und Schriften (gemalt und in Putz gedrückt) weisen auf die Überzeitlichkeit dieser Sorgen und Nöte hin. Sie erinnern an die vielen Generationen, die hier gebetet und sich Gott anvertraut haben. In unseren Tagen erwacht dieser Ort als Gottesdienstraum zu neuem Leben. Und es bleibt zu wünschen, das sich Glaubende nun wieder von
Generation zu Generation voll Vertrauen mit der Bitte an Gott wenden: .Herr, bleibe bei uns!'
Sie erkannten ihn, als er mit ihnen das Brot brach
Da. gingen ihnen die Augen auf, heißt es, als Jesus mit den beiden Emmausjüngern Mahl hält und das Brot für sie bricht. Jetzt ist alles klar. Wie Schuppen fällt es ihnen von den Augen. Dieser Fremde, der uns so vertraut war, bei dem wir uns so geborgen gefühlt haben, ist gar kein Fremder. Es ist unser Meister und Herr. Er ist auferstanden und geht mit uns.
Von Anfang an wird die Feier der Eucharistie auch Feier des Brotbrechens genannt. Und von Anfang an haben Christen in dieser Feier die Gegenwart Jesu erfahren. Immer wieder durften und dürfen bis heute Jüngerinnen und Jünger Jesu im gebrochenen Brot erleben: es ist der Herr, der hier in der eucharistischen Gestalt mitten unter uns ist. Über viele Jahrhunderte hinweg gingen den Duttweilerer Christen - wie den Emmausjüngern - hier die Augen auf. Sie konnten erkennen, dass Jesus Christus auch ihnen nah war und den Weg des Glaubens mit ihnen ging. Der neue Altar von Bernhard Mathäß wird als .Eckstein' der Kapelle genau daran erinnern und aufs Neue zum Tisch des Herrn werden, an dem die Gemeinde das Mahl Jesu Christi feiern und seine Nähe erleben darf. Auch den Christen heute sollen hier die Augen aufgehen. Sie dürfen wie die Jünger damals erkennen: "Es ist der Herr." (Joh 21,7)
Ganz bewusst bilden Altar und Stele sowohl im Material als auch in der Formensprache eine Einheit. Sie gehören zueinander wie zwei Seiten einer Medaille. So wird deutlich, von welch zentraler Bedeutung die Feier der Eucharistie für den Glaubensweg des einzelnen Christen wie der ganzen Gemeinde ist. Nicht umsonst beschreibt das II. Vatikanische Konzil die Feier des Herrenmahles als Quelle und Höhepunkt allen Tuns der Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit (vgl. SC 10) .
Noch in derselben Stunde . . .
Nichts hält die beiden Jünger mehr, als sie Jesus erkannt haben. .Noch in derselben Stunde brachen sie auf, heißt es im Evangelientext. Welche weltweite Wirkung von diesen Aufbrüchen der ersten Jünger ausgegangen ist, lässt sich am Tun der Kirche bis heute ablesen
Auch die Christen unserer Tage dürfen sich nicht damit begnügen, ihren Glauben innerhalb von Kirchenmauern zu leben. Wie viele lebendige und lebenspendende Impulse von Ort der Emmauskapelle in früheren Zeiten bereits ausgegangen sind, kann niemand sagen. Es bleibt aber zu wünschen, dass dieser Raum aufs Neue zu einem Ort wird, an dem die Christengemeinde von Duttweiler Jesus Christus begegnet in seinem Wort, dass sie hier all ihre Sorgen und Nöte vor ihn tragen kann und ihn immer wieder neu als lebendigen Herrn erkennt in der Feier der Eucharistie. Und es bleibt zu wünschen, dass von diesem Ort viele Aufbrüche ausgehen, hinein die Gemeinde und in die ganze Welt.
Die weitere Ausgestaltung der Kapelle
- Das Sakramentshaus
Das gotische Sakramentshaus auf der Nordseite der Kapelle wurde im Rahmen den Befunduntersuchungen auf die Zeit um 1400 datiert. Sakramentshäuser wurden in dieser Zeit zur Aufbewahrung des Altarsakramentes verwendet {heute: Tabernakel). Es ist im oberen Teil in einem sehr schönen hellen Stein aufwändig im gotischen Stil gearbeitet. Bei einer späteren Vergrößerung wurde ein roter Sandstein verwendet, der in schlichter Ausführung unten angesetzt wurde. Wohl im Rahmen der Profanierung im Zusammenhang mit dem Bau der neuen Kirche im 19. Jahrhundert wurden die Türangeln sowie das Schloss der schmiedeeisernen Gittertür abgeschlagen. Die heutige Farbgebung im Innern des Sakramentshauses entspricht den Farbresten, die bei Befunduntersuchungen gefunden wurden.
- Die Freskenmalereien
Im Chorbogen wurden an drei Stellen ,Fenster' offen gelassen, die den Blick auf Malereien aus dem 14. Jahrhundert freigeben. Bei den Befunduntersuchungen wurde festgestellt, dass eine mehrfarbig gemalte mittelalterliche Raumfassung vorhanden war. Davon sind leider nur noch die Malereien auf dem Chorbogen und auf den Gewölberippen erhalten, da bei den gründlichen Sanierungsmaßnahmen der 60iger Jahre des 20. Jahrhunderts fast der gesamte Putz an den Wänden und an der Decke abgeschlagen wurde. Die noch vorhandenen mittelalterlichen Malereien wurden gesichert und mit einer reversiblen Farbe überdeckt, so dass zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit besteht, sie freizulegen und fachgerecht zu restaurieren.
-Die Buntglasfenster
Von den drei Fenstern des Chorraumes der alten Kirche ist vermutlich nur noch das Ostfenster im Originalzustand erhalten. Das Nordfenster wurde wohl im Zuge des Einbaus des Sakramentshauses verkleinert und das Südfenster irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt vergrößert.
Die Buntglasscheiben in den Fenstern stammen im Entwurf von dem Bamberger Glaskünstler Hans Dorn und in der Ausführung von der Glaswerkstätte Krummholz aus Bad Bergzabern. Sie versuchen, den Einfall des Lichtes von oben nach untern darzustellen. Über die drei Fenster hinweg fließen von oben nach unten die Spektralfarben ineinander. Sie erinnern daran, dass das göttliche Licht der Erlösung in vielen bunten Farben in unser Leben und in dieser Welt hineinleuchtet.
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