Duttweiler | A bis Z |
28. März 1998
Vortrag von Jochen Litzka
| Der Streit um die Haingeraide |

Im Jahre 1518 verkaufte Viax von Oberstein sein Dorf Duttweiler an den Pfalzgrafen Ludwig. So wurde Duttweiler ein kurpfälzisches Dorf, gelegen im Bereich des kurpfälzischen Oberamtes Neustadt an der Haardt. Duttweiler war ein Dorf mit Feldern, Wiesen und Weinbergen, aber einen eigenen Wald hatte es nicht. Wie konnte es geschehen, daß die rechtschaffenden Bauern und Winzer von Duttweiler vor 250 Jahren sich hinreißen ließen "Holz zu holen mit Parforce im Gereidwald, gleich den Maycammern" Nachdem der kurpfälzische Amtsschreiber Jakob Beyerlin von Weingarten, also ein hoher Beamter des Kurfürsten, in seiner fantasievollen äChronik über das Testament des guten Königs Dagobert" den ehemaligen äDuttweiler Hof", einst unterhalb der Kropsburg gelegen, mit dem kurpfälzischen Dorf Duttweiler gleichgesetzt hatte, begann das Oberamt Neustadt, ein Verwaltungszentrum der Kurpfalz, erst behutsam, dann aber immer massiver den Schultheißen von Duttweiler und das Dorfgericht, eine Art Gemeindeverwaltung mit bescheidener Selbständigkeit, zu bedrängen, doch endlich die vermeintlichen Holzrechte in der 5. Haingereide wahrzunehmen.
Höflich und korrekt, wie es Duttweilerer Art nun einmal war und ist, sprach Schultheilß Philipp Weiß mit zwei Bürgern als Vertretern des Dorfgerichts zwei mal im Abstand von acht Jahren beim Haingereidegericht vor und begehrte einen Anteil an der fünften Haingereide für sein Dorf Duttweiler. Er wurde über die Sach- und Rechtslage ausführlich informiert und definitiv beschieden, daß Duttweiler Anteilsansprüche weder habe, noch nachweisen könne, da es in den vorliegenden alten Urkunden ägar nicht benamset ist". Dies geschah am 27. Februar 1713 und nochmals am 24. Februar 1721. Am Ende der zweiten Vorsprache erwähnte Bürgermeister Philipp Weiß gegenüber dem Geraidegericht, gewissermaßen halbwegs als Entschuldigung: äDer Kurpfälzer Landschreiber Gambs vom Oberamt Neustadt hat uns aufgefordert, also befohlen, endlich mit Parforce, d. h. mit Gewalt, in den Wald einzudringen und dort Holz zu holen" Bürgermeister Philipp Weiß entnahm der Rechtsmittelbelehrung des Gereidegerichts, daß er gegen den Gerichtsspruch beim Fürstbischof von Speyer, als der Gereiden Schutz- und Schirmherr, Beschwerde einlegen konnte. Als kluger Bürgermeister, der die Rechtslage erkannt hatte, tat er es nicht. In den nun folgenden 26 Jahren war ein Waldbesitzanteil an der 5. Haingereide beim Ortsgericht und den Bürgern von Duttweiler kein Thema und sollte auch fürderhin keines mehr sein. Aber die Duttweilerer Ackerbauern und Winzer hatten die Rechnung ohne ihre Obrigkeit, die kurfürstliche Verwaltung gemacht! Als 1743 Karl-Theodor Kurfürst geworden war und zu Mannheim prächtig Hof hielt, mußte die kurfürstliche Finanzkammer immer höhere Einnahmen vorweisen, damit der Kurfürst seinen aufwendigen Lebensstil pflegen konnte. Die Finanzkammer übte daher von Jahr zu Jahr nachhaltigeren Druck auf die kurfälzischen Oberämter aus, zügig höhere Steuem einzutreiben; und so war auch das Oberamt Neustadt, inmitten fürstbischöflichen Territoriums gelegen, ständigen Mahnungen der Finanzkämmerer zu Mannheim ausgesetzt.
Vor allem sollte doch endlich die schon im Jahre 1721 vom Landschreiber Gambs erlassene Anordnung der
gewaltsamen Inbesitznahme eines Teils der 5. Haingeraide für das kurpfälzische Dorf Duttweiler in die Tat umgesetzt werden. Nach 26 Jahren friedlicher Nachbarschaft nahte das Schicksalsjahr 1747! Es ist gut vorstellbar, daß der Bürgermeister zu Duttweiler, wie er im Jahre 1747 heißt wissen wir nicht, und ein großer Teil der Einwohner zu Besonnenheit, Frieden und guter Nachbarschaft rieten, daß aber auch etliche Hitzköpfe darauf brannten, kostenlos Holz im Gereidewald zu schlagen, um so ihre wirtschaftliche Lage bedeutend verbessern zu können. Als dann das Oberamt Neustadt ankündigte, daß den rund 300 Einwohnern des Dorfes bei der Holzaktion 156 kurpfälzische Grenadiere als militärischer Geleitschutz der Kurpfalz zur Seite gestellt würden, da war es um die Besonnenen geschehen! Was sollte mit einer solchen Militäreskorte noch schiefgehen? Und, wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
Wie wir wissen, ging das ganze Unterfangen gründlich in die Hose. Der 12.Dezember 1747 wurde für die Duffweilerer Untertanen des Kurfürsten zum äDesaster", zum schwarzen Tag. Die Bauem der 5. Haingereide wehrten sich mit Macht und schlugen nach erbittertem Kampf alle Eindringlinge in die Flucht. Abgesehen von den eigenen äBlessuren" war schon allein der Totalverlust von 35 Gespannen für die betroffenen Landwirte eine wirtschaftliche Katastrophe. Zum Glück gab es wenigstens keine Toten. Dieser Waldgang war eine schmerzliche Lektion für die beteiligten Duttweilerer Bauern. Zwar rächte sich die Kurpfalz für die erlittene Niederlage und ließ am 16.12.1747 100 Grenadiere mit aufgepflanztem Bajonett in Maikammer einrücken, die dann auch den Ochsenwirt Konrad Lang und den Metzger Gabriel Ried verhafteten und in Edenkoben ins Gefängnis warfen. Das keinem Landesherrn untertane Haingereidegericht aber ließ sich den Rechtsbruch der Kurpfalz nicht gefallen und wendete sich am 21.12.1747 beschwerdeführend direkt an den Kaiser in Wien. Schon am 26.03.1748 kam per Depesche der Urteilsspruch des kaiserlichen Gerichts: Er lautete: äDer Anspruch der kurpfälzischen Gemeinde Duttweiler auf Teilhabe an der 5. Haingereide wird abgewiesen. Die kurpfälzische Regierung muß 50 Mark lötigen Goldes halb in die kaiserliche Kammer, halb an die Haingereide als Entschädigung zahlen". Am Ostersonntag 1748 wurden Lang und Ried freigegeben. Nicht die Bauern von Duttweiler wurden verurteilt, sondern ihre Obrigkeit mußte ein hohes Bußgeld zahlen!

Gedanken des Chronisten:
Es war in jener vergangenen Zeit eine arge Last leibeigener Untertanen eines Fürsten zu sein, und der zeitgenössische Spruch: "Unter dem Krummstab ist gut leben" kam nicht von ungefähr. Im Nachhinein fällt auf, Duttweilers direkte Nachbarn zu Kirrweiler, Mitglieder der 5.Haingereide, hatten sich von Anfang an aus allem Streit herausgehalten. Nun sind 250 Jahre ins Land gegangen. Wer weiß schon noch heute was einst geschehen ist und die Gemüter bewegt hatte. Längst begegnen sich die Menschen aus den Dörfem zwischen Haardt und Gäu unvoreingenommen, einer weiß den anderer zu schätzen, ganz gleich, ob sein Dorf einst zum Hochstift Speyer gehörte oder der Kurpfalz untertänig war. Was wir aber gemeinsam haben, das soll uns heute hier vereinen! Unser edler Pfälzer Wein! Gott segne unser Pfälzer Land!
Quelle: Jochen Litzka. Er hielt diesen Vortrag bei Festabend in der Duttweiler Festhalle