Duttweiler | A bis Z | Chronik 2010 |
22. Oktober 2010
Zu viel Papierkram in Italien
| Zur Person |
Impressum

Gerardo Falcone im Rheinpfalz-Portrait

In einem Portrait stellt die Rheinpfalz den Gastronomen Gerardo Falcone vor. Der erfolgreiche Betreiber einer Neustadter Pizzeria wohnt seit 1985 in Duttweiler:
Gerardo Falcone weiß es noch bis heute: „Am 22. Juni 1962 bin ich um 14 Uhr nach 24 Stunden Zugfahrt in Stuttgart bei Regen angekommen." Wie so viele seiner Landsleute hatte sich der aus Laviano an der Amalfiküste stammende, damals 18-jährige Italiener Anfang der 1960er Jahre auf den Weg in den Norden gemacht. Wo er, wie die meisten Gastarbeiter, bis heute geblieben und heimisch geworden ist.
„Seit 1977 bin ich offiziell deutscher Staatsbürger, den italienischen Pass habe ich nicht mehr", sagt der 67-Jährige und schwenkt seinen Personalausweis. Dazu beigetragen hat auch die Bürokratie, die mit Fahrten zum italienischen Konsulat nach Stuttgart und später nach Frankfurt verbunden war. So musste er als junger Mann wegen des italienischen Militärs regelmäßig seine deutsche Arbeitsbescheinigung vorlegen, zudem alle fünf Jahre eine Passverlängerung beantragen. „Der Papierkram in Italien ist weitaus komplizierter als der in Deutschland", erzählt er lächelnd.
Zuerst arbeitete Falcone, der auf Vermittlung eines älteren Bruders als jüngstes von neun Kindern nach Deutschland gekommen war, als Bedienung in einem Stuttgarter und anschließend vier Jahre in einem Tübinger Eiscafé. „Hier haben wir auch zum ersten Mal mit Minipizzen im Winter angefangen." 1969 hat er sich mit einem Kompagnon in Grünstadt mit dem Eiscafé Rialto selbstständig gemacht. Dort lernte er auch seine spätere Frau Ursula, damals beim Bekleidungshaus Jost tätig, kennen. Ein Jahr später wechselte er nach Neustadt, um im „Cortina" in der Hauptstraße als Kellner zu arbeiten. „Ich hatte hier, wie in Stuttgart, ein Zimmer zu zweit mit Waschbecken. Wir sind mehrmals in der Woche ins Walter-Engelmann-Bad zum Duschen gegangen, um den Küchendunst loszuwerden", erzählt Falcone. Beklagen möchte er sich dennoch nicht: „In der Gastronomie gab es immer bessere Konditionen als in der Industrie, wo Massenunterkünfte anfangs die Regel waren."
1971 ließ sich das Paar in Neustadt auch standesamtlich trauen, nachdem 1969 die kirchliche Hochzeit in Altleiningen, dem Heimatdorf der Braut, gefeiert worden war. Zwei erwachsene Töchter, die in Neustadt auf die Welt kamen, hier auch die Realschule besucht haben und inzwischen im Geschäft und bei der Wohnungsbaugesellschaft (WBG) arbeiten, gehören zur Familie, die 1985 in Duttweiler gebaut hat.
Am 1. März 1978 übernahm Falcone in Neustadt in der Hauptstraße 120 ein Eiscafé. Vier Jahre später wandelte er es zu einer Eisdiele mit Pizzeria um. Seine erste Speisekarte mit 36 verschiedenen Pizzen hat er noch. Eine große „Margherita" kostete vor 28 Jahren 4,50 Mark, eine große „Bolognese" sieben Mark. „Die Preise sind geblieben. Verändert hat sich nur die Währung", stellt er lächelnd fest. Gewachsen ist jedoch das Angebot der Speisekarte mit jetzt mehr als 310 verschiedenen Pizzavarianten.
„Mehr deutsche Freunde als italienische" hat Falcone inzwischen. Mit seinen Familienangehörigen - ein Bruder lebt in Worms - gibt es eher sporadischen Kontakt. „Durch den Tod der Mutter hat sich vieles verändert", erzählt der 67-Jährige, der als junger Mann sehr viel Heimweh hatte, im Winter stets nach Hause fuhr. Falcone wird in Neustadt bleiben: „Die Kinder sind hier. In Italien müsste ich neu anfangen. Meinen Entschluss, nach Deutschland zu gehen, habe ich trotz der schweren Sprache nie bereut."

Pressespiegel
Laviano, Stuttgart, Duttweiler Rheinpfalz, 22. Oktober 2010